Art Monsters: Die neue Lust am Buch
Ich lese wieder!
“Ach nee”, mag man da denken, “wirste ja auch für bezahlt!” Aber nein, ich meine natürlich das lustvolle Lesen, das freiwillige, das, wofür ich nicht bezahlt oder beauftragt werde, das Lesen aus Spaß an der Freude, das immer nur noch Lust auf mehr macht.
Über Literary Hub bin ich auf Art Monsters: Unruly Bodies in Feminist Art gestoßen von Lauren Elkin (und zwar auf die hier bei Goodreads verlinkte Ausgabe mit dem Foto der verrenkt stehenden amazonenhaften Frau, nicht die Ausgabe mit dem bunten Cover), und ich habe mich festgebissen, habe herumgestöbert, am Ende 8 andere eBooks gekauft und bin jetzt ein paar Euro ärmer. (Macht nüscht.)
Es ist nämlich so (und es ist mir auch ein wenig peinlich): Während meines Studiums habe ich irgendwann nur noch solche Werke und Sekundärliteratur gelesen, die zu lesen mir aufgetragen wurde. Das war so viel, dass es allein schon kaum schaffbar war, daneben blieb dann kein Raum mehr für weitere Lektüre, irgendwann war ich des zwanghaften Interpretierens des Gelesenen überdrüssig, dann kam das Ende des Studiums, dann der Beginn des Arbeitens an und mit Text und somit das völlige Erliegen jeglichen Lesespaßes. Zumal: Wenn erstmal die Freiheit beim Bearbeiten dazukommt und die Macht über die Texte anderer — die ich ehrlich hoffe nie ausgenutzt zu haben –, wenn zum bloßen Lesen auch das Verstehen um die Entstehung von Texten hinzukommt, dann kann das auch mal zu viel werden. Und ja: Ich gewöhnte mich daran, holperige Stellen streichen und umformulieren zu können, sodass ich immer unduldsamer geworden bin, was Seltsamkeiten in Texten angeht.
Also war Schluss mit Lesen aus und mit Freude; für Jahre ging das so.
Das ist jetzt vorbei. Ich erinnere mich an ein zaghaftes Wiederaufflammen im vorletzten Jahr, als die merkwürdige Corona-Zeit plötzlich wieder Zeit ließ zum ungestraften Zuhausebleiben, als plötzlich Lesen wieder Luft hatte bei mir, als ich wieder Luft hatte, und so begann ich etwas wieder zu tun, was für jemanden, der Ausgleich von der Arbeit des Lesens sucht, eigentlich völlig bescheuert ist: Ich las wieder als Hobby, zum Genuss, mit Freude und aus Spaß.
Tja, und so lasse ich mich derzeit von Buch zu Buch treiben, kaufe hier, lade dort, sammle ein, notiere Tipps, markiere, mache Listen, finde Cover cool oder egal, lese fast jede Woche ein neues Buch, lese fast 20 Dinge gleichzeitig, bin glücklich und angeregt, verliebe mich in jemanden beinahe schon wegen unserer fast zwillingshaften Büchervorlieben (unerwidert natürlich, aber so ist es auch gut, weil melancholisch, und Träume können wenigstens nicht enttäuscht werden) und komme von einem Gedanken auf zwei nächste auf zweiundvierzig und noch viele mehr.
Und vom Lesen komme ich ins Schreiben und Träumen und fliege in Gedanken und auch nachts im Schlaf so weit hinaus wie tief hinein, es ist alles gleichzeitig und spannend und lässt vergessen, wie ausweglos und schlimm gerade vieles ist.
Lesen. Herrlich. Fantastisch. Wichtig.
Was hat das mit dem Titelbild zu tun auf Art Monsters, mit der verdreht dastehenden Gestalt, die so konzentriert wie kraftvoll — ja, was eigentlich? — arbeitet? eine Collage presst? Immerhin steht sie an einem Schreibtisch, ein Bein angewinkelt, den Fuß (mit Stiefel! Lederstiefel!! schwarz!!!) _auf_ dem Stuhl.
Wer so arbeitet, so mit etwas beschäftigt ist wie die Person auf dem Cover, der:die ist nicht brav, ist nicht verfügbar. Und wer liest, sich gedanklich nicht einsperren lässt, sich nicht verblöden lässt vom Fernsehen und dem, was direkt jetzt stattfindet, wer sich nicht lähmen lässt vom Alltag und dem Fortgang, dem Fortgehen des Lebens, die:der ist frei, kann träumen, kann vielleicht sogar etwas verändern. Kann leben.